Gesündere Mitarbeiter bei sozialer Unternehmensführung

Unternehmen die soziale Unternehmensführung praktizieren, haben neben weniger Krankmeldungen auch eine höhere Arbeitszufriedenheit und mehr Unternehmensverbundenheit bei ihren Mitarbeitenden. Das ist das Ergebnis der repräsentativen Befragung unter über 2.500 Erwerbstätigen vom Wissenschaftlichen Institut der AOK im sogenannten Fehlzeiten-Report (https://www.wido.de/publikationen-produkte/buchreihen/fehlzeiten-report/2022/). Was heißt aber soziale Unternehmensführung? Arbeitnehmer wurde gefragt, inwieweit sie ihren Arbeitgeber als sozial verantwortlich, fair, gemeinwohlorientiert und ökologisch nachhaltig bewerten.

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Unter anderem ergaben sich daraus:

  1. Mitarbeitende, die dem Unternehmen eine gute Unternehmensführung bescheinigten, fehlten pro Jahr rund 4,5 Tage weniger als solche Mitarbeitenden, die mit der Führung ihres Unternehmens eher unzufrieden waren.
  2. Zudem waren mit der Unternehmensführung zufriedene Mitarbeitende deutlich gesünder. Ihre Werte lagen bei Beschwerden wie allgemeiner Erschöpfung oder Schlafstörungen rund 30 Prozentpunkte niedriger als bei jenen Arbeitnehmern, die ihre Unternehmensführung als negativ wahrnahmen. Bei Rücken- und Gelenkproblemen machte der Unterschied immerhin noch 20 Prozentpunkte aus.
  3. Darüber hinaus gaben die zufriedenen Mitarbeiter eine deutlich engere Bindung an ihren Arbeitgeber an.

Es zeigt sich also, dass es sich für Unternehmen lohnt, und nicht nur aufgrund der obigen Ergebnissen, sich sozial gegenüber Mitarbeitenden und Ihren Stakeholdern zu verhalten

Trends 2023 im Personalmanagement (HR)

Für die Vorbereitung auf die anstehenden Themen in den Bereichen Business, Achtsamkeit, Gesundheit und Personalentwicklung im Jahr 2023 bin ich auf einen Artikel von Gartner gestoßen, „The Top HR Trends and Priorities For 2023„. Gartner hat mehr als 850 Personalleiter*innen in 60 Ländern aus allen wichtigen Branchen befragt, um HR-Trends und -Prioritäten zu identifizieren und die zu erwarteten Herausforderungen für 2023 zu bewerten. Die Effektivität von Führungskräften und Manager*innen steht ganz oben auf der Liste, weitere folgende Prioritäten sind Change Management, Mitarbeitererleben, Rekrutierung und die Zukunft der Arbeit (Future of Work). Ich möchte hier ein paar Überlegungen zu den Zusammenhängen mit meiner Bewusstseinsarbeit herstellen.

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Treiber für die HR Trends

Der erste Abschnitt des Gartner Berichts identifiziert drei Faktoren, die die Prioritäten von HR-Führungskräften für 2023 bestimmen. Diese lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien zusammenfassen: Unsicherheit, Trade-offs für HR-Führungskräften (also Spannungsfelder) und Erwartungshaltungen von neuen Mitarbeiter*innen.

Unsicherheit

  • In der Wirtschaft
  • Talentmanagement
  • Weltweite Lieferketten

Spannungsfelder

  • Kosteneinsparungen vs. Investition in Talente
  • Geschäfts-Bedürfnisse vs. Mitarbeiterbedürfnisse

Erwartungshaltung neuer Mitarbeiter

  • Flexibilität
  • Gemeinsame Sinnhaftigkeit
  • Wohlfühlen
  • Mitarbeiter-zuerst

Diese Themen kommen für unsere Achtsamkeits-Community nicht überraschend. Die Unsicherheit (Stichwort VUCA) ist etwas, an das wir uns alle angesichts des Ausmaßes globaler Instabilität in wirtschaftlichen, politischen, ökologischen und sozialen Fragen gewöhnen müssen. Die Welt ist instabil und im ständigen Wandel. Führungskräfte, die üblicherweise für Prognosen von Ergebnissen und das Gefühl der Stabilität und Sicherheit verantwortlich sind, werden davon besonders herausgefordert. HR-Führungskräfte müssen daher das Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen des Unternehmens und denen seiner Mitarbeiter*innen neu bewerten. Es ist spannend zu sehen, wie Wohlbefinden, gemeinsame Ziele und personenorientierte Ansätze immer mehr zur Norm der Erwartungshaltung von (neuen) Mitarbeiter*innen werden.

Die Top 2 HR-Prioritäten für 2023

Die Prioritäten für 2023 sind in der Gartner Studie nach dem Prozentsatz der befragten HR-Führungskräfte geordnet, die den Trend als höchste Priorität betrachteten. Sie sind in der Studie in absteigender Reihenfolge gemäß dieses Prozentsatzes aufgeführt. Für die ersten zwei Trends werde ich eine kurze Zusammenfassung und die Auswirkung auf unsere Arbeit darstellen.

Nr. 1 – Effektivität von Führungskräften und Managern (60 %)

„24 % der HR-Führungskräfte geben an, dass ihr eigener Ansatz zur Führungskräfteentwicklung diese nicht auf die Zukunft der Arbeit vorbereitet.“

Gartner, Top 5 Priorities for HR Leaders in 2023

Auch das ist keine Überraschung. Die spannende und begrüßenswerte Veränderung besteht darin, dass die Idee, eine stärker am Menschen orientierte Führungskraft zu sein, zur Norm wird. Mit Mindful-Leadership (achtsame Führung) wird dieser am Mitarbeitenden orientierte Führungsstil erreicht. Aus diesem Feld können viele Übungen übernommen werden, um Authentizität und Empathie zu kultivieren und die individuelle Berücksichtigung und Förderung (Stichwort transformationale Führung) zu ermöglichen. Vielleicht entsteht so der Bedarf mehr Achtsamkeits- und Mitgefühlspraktiken in die Entwicklung von Führungskräften einzubeziehen

Änderung der Führungsverantwortung

  • Ermöglichen Sie den sicheren Ausdruck von Individualität
  • Berücksichtigen Sie die Bedürfnisse von Teams
  • Etablieren Sie maßgeschneiderte flexible Workflows
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Die Mensch-orientierte Führungskraft

  • Authentisch
  • Empathisch
  • Adaptiv

Nr. 2 – Organisationsdesign und Änderungsmanagement (53 %)

„45 % der Personalleiter geben an, dass ihre Mitarbeiter von all den Veränderungen erschöpft sind.“

Gartner, Top 5 Priorities for HR Leaders in 2023

Themen wie Burnout, große Resignation, inner Kündigung und moralische Verletzungen beherschen die Schlagzeilen. Das Engagement ist gering, ebenso wie das Vertrauen. Da die Menschen systemischen Fragen mehr Aufmerksamkeit schenken, erkennen wir eine zunehmende Skepsis gegenüber dem Kapitalismus (zu recht). All dies führt dazu, dass Organisationen das Change-Management (Veränderungen) und Prozesse, mit denen Änderungen implementiert werden, genauer unter die Lupe nehmen. In der Vergangenheit war dies ein Top-down-Ansatz, jetzt lernen Organisationen aber wie sie Veränderungen (Management of Change), was häufig als „Open-Source-Änderung“ bezeichnet wird, integrieren können – im Wesentlichen einen Community-basierten Ansatz, bei dem die Mitarbeiter*innen Veränderungen mitgestalten und mit-umsetzen können. Dies ist eine Gelegenheit für einen kulturellen Wandel, bei dem die Achtsamkeit am Arbeitsplatz entscheidend wirksam sein kann.

Wechselmüdigkeit

Nur 43 % der Mitarbeiter mit überdurchschnittlicher Veränderungsmüdigkeit beabsichtigen, im Unternehmen zu verbleiben, verglichen mit 74 % der Mitarbeiter mit nur geringer Ermüdung.

Gartner, Top 5 Priorities for HR Leaders in 2023

Reibungspunkte (Konfliktpotentiale)

74 % der Mitarbeiter erleben 3 oder mehr Reibungspunkte (Konfliktpotentiale) am Arbeitsplatz. Hybrid- und Remote-Mitarbeiter erleben eine 40 % höherer Wahrscheinlichkeit an Reibungsverlusten am Arbeitsplatz.

Gartner, Top 5 Priorities for HR Leaders in 2023

Zu den weiteren Trends der Studie gehören:

  • Nr. 3 Mitarbeitererleben (47 %)
  • Nr. 4 Rekrutierung (46 %)
  • Nr. 5 Zukunft der Arbeit (Future of Work) (42%)

Den vollständigen Bericht können Sie hier lesen.

Was sind Ihre Gedanken?

Kann Achtsamkeit tatsächlich im geschäftlichen Umfeld „funktionieren“?

Ich werden immer wieder mit Vorbehalten konfrontiert, insbesondere im Business Kontext. Wenn ich zum Beispiel eine Besprechung mit einem kurzen gemeinsamen Innehalten beginnen möchte, gibt es skeptische Antworten. Auch ich bin manchmal zögerlich, ob ich es überhaupt vorschlagen soll. Die Skepsis hat Ihre Berechtigung und daher bin ich in einem Video auf diese Vorbehalte eingegangen.

Die Hintergrundinformationen, die in dem Video zu sehen sind, habe ich in einer PowerPoint Folie zum Download bereitgestellt.

Neues Video “Besprechung mit Innehalten beginnen” online

Wenn Besprechungen beginnen, sind wir häufig mit unseren Gedanken noch im Meeting davor oder bei Aufgaben die noch zu erledigen sind. Das ist für die Effizienz von Besprechungen nicht hilfreich.

Thomas Bormuth meint, um mit allen Sinnen präsent zu sein, hilft ein kurzes gemeinsames und achtsames Innehalten zu Beginn. Er hat eine von ihm häufig verwendete Anleitung in seinem YouTube Channel veröffentlicht.

Besprechungen mit gemeinsamen und achtsamen Innehalten beginnen

YouTube Channel „Achtsamkeit im Projektmanagement“ ist online

Um weiter an der Verbreitung der Achtsamkeit im Projektmanagement zu arbeiten und um seine Reichweite zu erhöhen, hat Thomas Bormuth nun auch einen YouTube Channel erstellt. Hier plant er regelmäßig Informationen, Impulse, Neuigkeiten und auch Übungen zu dem Thema vorzustellen.

Er hält die Haltung der Achtsamkeit für die Basis von Projekterfolg und Projekterfolg für die Basis von Wandel, individuell und gesellschaftlich. Vielleicht kann dieser Channel ja etwas dazu beitragen. Er freut sich über jeden Follower.

Warum Achtsamkeit im Projektmanagement

Außerdem hat er nun auch den Vortrag „Einführung Achtsamkeit in der Projektarbeit“ online gestellt. Die zugehörige Präsentation kann hier heruntergeladen werden.

Sollten Sie Fragen zu dem Thema haben oder einfach den Austausch zu dem Thema suchen, nehmen Sie einfach mit Thomas Bormuth Kontakt per email unter thomas@bormuth.net oder telefonisch unter +49 (1525) 3629141 Kontakt auf.

Bedeutung von Mitarbeitergesprächen

Die Bedeutung von häufigem, präzisem und unvoreingenommenen Feedback durch den Vorgesetzten wird bei Führungspersonal häufig unterschätzt. Mitarbeitergespräche erhalten häufig nicht die Wertigkeit die sie benötigen und werden regelmäßig mit „zwischenrein“ oder „wir können doch auch telefonieren“ abgetan. Laut einer Studie der Management-Plattform „Reflektive“ sind für 85 % der Angestellten in den USA unfaire Mitarbeitergespräche ein Kündigungsgrund. Die Ergebnisse wurden im Juli diesen Jahres veröffentlicht und sind meiner Erfahrung nach auf den deutschen Arbeitsmarkt übertragbar.

Lohnerhöhungen und Boni sind wichtig für die Mitarbeiterbindung – sind aber nur ein Teil der Wahrheit

Für die Mehrheit der Beschäftigten (58%) ist das Gehalt der wichtigste Faktor bei der Wahl eines Arbeitgebers. Der gleiche Anteil sieht Zusatzleistungen und Urlaubstage ganz oben auf den Must-Have-Liste von potentiellen Arbeitgebern. Die beiden folgenden Kriterien – die von mehr als der Hälfte der Befragten gewählt wurden – sind jedoch Wachstumspotenzial und Sinn bei der Arbeit.

Mitarbeiter wollen Bestätigung und Richtung

Ein regelmäßiger und häufiger Austausch ermöglicht es Arbeitgebern, die Ziele und Motivation der Mitarbeiter besser zu verstehen und diese für die Motivation und Produktivität zu nutzen. Vorgesetzten können ihren Mitarbeiter einen Einblick geben, wie sie die Ergebnisse bewerten, wo sie stehen und wo sie weiteres Wachstum sehen.

Die große Mehrheit der Befragten (92%) will öfter Mitarbeitergespräche führen als nur einmal im Jahr. Fast die Hälfte (49%) wünscht sich ein wöchentliches formales Feedback und fast dreiviertel (72%) wollen mindestens einmal im Monat von ihrem Vorgesetzten bewertet werden.

Die Gründe dafür sind:

  • für 64% geben Bewertungen hilfreiches Feedback
  • für 45% bieten Mitarbeitergespräche Gelegenheit für persönlichen Austausch mit dem Vorgesetzten
  • für 41% schaffen sie Klarheit bezüglich weiterer Fördermöglichkeiten

Leistungsbewertungen können eine Win-Win-Situation sein – oder sie können furchtbar schief gehen

Interessant für Führungskräfte dürften die Auswirkungen von unpräzisen und lieblos geführten Mitarbeitergesprächen sein. Mehr als die Hälfte der Befragten (51%) können sich eine „spektakuläre“ Aktion für die Verabschiedung aus dem Job vorstellen. Sie wären bereit dadurch den Arbeitgeber zu schaden.

  • 78% können sich ein Kündigungsvideo in den sozialen Medien vorstellen
  • 18% würden über das Unternehmen, Vorgesetzte oder Kollegen schlecht reden
  • 12 % könnten sich vorstellen Firmengeheimnisse preis zu geben

Regelmäßige und ganzheitlich geführte Mitarbeitergespräche führen zur Zufriedenheit auf beiden Seiten und zu einer realistischen und präzisen Einschätzung der Situation. Dazu ist natürlich ein in Kontakt-Sein mit der Situation und dem Mitarbeiter Seitens der Führungskraft notwendig. Dieses In-Kontakt-Sein sollte daher Teil des Führungskräftetrainings sein.

Schrittweise Einführung von Selbstführung

Anstatt klassischer Mitarbeitergespräche könnten Unternehmen zur schrittweise Selbstführung übergehen. Das bedeutet nicht, dass es keine Strukturen mehr gibt und alles informell und chaotisch abläuft. Es geht nicht darum, dass durch die Abschaffung von Vorgesetzten jeder und jede machen kann, was er oder sie will. Die Mitarbeiter arbeiten in definierten Rollen und es gibt Prozesse, um Entscheidungen zu treffen, mit Konflikten umzugehen usw.. Dazu muss allerdings ein System verteilter Autorität wachsen, wozu alle bestehenden Managementpraktiken und -Strukturen erneuert werden müssen. Das benötigt Zeit, daher empfehle ich mit ehrlichen und authentischen Mitarbeitergesprächen zu beginnen, dann entsteht vieles Weitere fast automatisch.

Stress – die Verantwortung nicht auf die Mitarbeitenden abwälzen

Viele Unternehmen haben Trainings für ein besseres Stressmanagement für die Mitarbeiter aufgesetzt, da die Stressbelastung immer mehr zunimmt und effektiver Umgang mit Stress ist zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für Produktivität, Mitarbeiterbindung und Unternehmenserfolg geworden.

Stressmanagement ist häufig beim Gesundheitsmanagement angesiedelt und fokussiert die Verbesserung der individuellen Stresskompetenz des Einzelnen. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Organisationen die Verantwortung auf die Mitarbeitenden abwälzen und die Möglichkeiten auf organisatorischen Ebene vernachlässigen, bzw. ignorieren. Stressmanagement ist aber auch ein Thema das auf struktureller Ebene adressiert werden sollte, mögliche Bereiche sind Führung, Entscheidungsfindungen, Arbeitsmittel, Arbeitsorganisation, etc.. Für mich ist die „Organisationale Achtsamkeit“ daher eine wichtige Säule des Stressmanagements auf struktureller Ebene. Dazu habe ich mir ein paar Gedanken gemacht und freue mich über Feedback dazu.

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Wenn ich mit Ansprechpartner in Unternehmen im Kontakt bin, kommen wir häufig auch auf das Thema Stressmanagement zu sprechen. Achtsamkeit ist ja auch eine Möglichkeit weitere Stressbewältigungskompetenzen aufzubauen. Viele Firmen haben auch schon Programme zu dem Thema für Mitarbeitende implementiert. Es freut mich sehr, dass die Entstehung und die Auswirkungen von Stress in Organisationen aktiv adressiert werden. Der effektive Umgang mit Stress ist zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für Produktivität, Mitarbeiterbindung und Unternehmenserfolg im Allgemeinen geworden.

Häufig fokussieren diese Programme allerdings die individuelle Stresskompetenz, das heißt, wie gehen die Mitarbeitenden mit Stress um, wo liegen die persönlichen Anteile und wie können sie die Auswirkungen positiv beeinflussen. Das Stressmanagement ist daher häufig beim Gesundheitsmanagement in Unternehmen angesiedelt. Darin liegt aber eine Gefahr, die Verantwortung für den Umgang mit dem Stress an die Mitarbeitenden zu delegieren. Neben der individuellen Stresskompetenz, wird auch ein strukturelles und auf organisatorischen Ebene etabliertes Stressmanagement benötigt. Eine wichtige Säule für die Implementierung ist aus meiner Sicht die „Organisationale Achtsamkeit„.

Beispiel: Digitaler Stress

2018 wurde eine der ersten repräsentativen Umfragen zu digitalem Stress in Unternehmen vorgelegt. Dazu wurden durch eine Frauenhofer Projektgruppe für Wirtschaftsinformatik über zweieinhalbtausend Beschäftigte befragt. Folgende Punkte wurden unter anderem abgefragt. Was genau ruft an ihrem Arbeitsplatz den Stress hervor? Mit welchen digitalen Technologien haben es die Beschäftigten zu tun? Wie kompetent fühlen sie sich im Umgang mit ihnen? Die Digitalisierung scheint den Stresspegel bei vielen Arbeitnehmern zu erhöhen – und je höher er ist, desto häufiger berichteten die Befragten auch von Gesundheitsbeschwerden.

Ein überraschendes Ergebnis war, dass digitaler Stress nicht durch die Nutzung digitaler Technologien per se, also z.B. durch die ständigen Unterbrechungen oder die permanente Erreichbarkeit über Smartphones und Laptops entsteht. Vielmehr tritt er dort auf, wo der Digitalisierungsgrad des Arbeitsplatzes nicht zu den Kompetenzen der Arbeitnehmer passt.

Gründe für diese Diskrepanz sind häufig Managemententscheidungen, schlechte Arbeitsorganisation und Führungsfehler. Auch der Stress, der bei der Umstellung von IT-Systemen und Software entsteht, ist oft führungsgemacht, bzw. in den Einführungsprojekten wird der Aspekt der Vermittlung von Kompetenz an die späteren Benutzer mit nur einer geringen Priorität berücksichtigt.

In der Praxis dauern Einführungsprozesse länger, die Ressourcen für Einführungsprozesse werden nicht bereitgestellt, meistens müssen die Leute Systemumstellungen während der Arbeit bewältigen, haben keine Freistellung von ihren anderen Aufgaben dafür. Die Probleme werden oft nicht gesehen und die Projektlaufzeiten werden unterschätzt.

Aber nicht nur die Art wie neue Systeme eingeführt werden belastet Mitarbeitende, mancherorts ufern auch die Dokumentationspflichten aus, weil die Verwaltung entscheidet, dass alles erfasst werden muss. Oder es herrscht ein Klima der Schuldzuweisungen, weshalb sich alle alles lieber schriftlich geben lassen und noch dazu möglichst viele in Kopie setzen.

Vermutlich lassen sich die Erkenntnisse zum digitalen Stress auch auf weitere Bereiche in Unternehmen, in den Stress entsteht, ausweiten. Weitere Bereiche sind vor allem das soziale Miteinander auf den unterschiedlichen Ebenen und Transparenz bei Entscheidungen.

Organisationale Achtsamkeit

Es ist also viel grundlegendere Überlegung über die Qualität der Arbeit notwendig, Stress darf nicht zum persönlichen Problem werden.

Eine Darstellung nach individuellen, kollektiven und inneren, äußeren Wirkungsräumen der Achtsamkeit kann durch das integrale Model der Organisation erfolgen. Dabei sind diese Bereiche alle miteinander verzahnt und beeinflussen sich gegenseitig. Die Organisationskultur und die Führung finden sich im dritten Quadranten wider und die organisationale
Achtsamkeit im vierten Quadranten.

4 Quadranten des integralen Modells: Organisationale Achtsamkeit

Es ist also auch ein Kulturwandel notwendig, der mit Änderungen in Strukturen und Arbeitsabläufen einher gehen kann oder sogar muss. Unter der „Organisationalen Achtsamkeit“ verstehe ich, in wieweit Unternehmen in der Lage sind konkrete lösungsorientierte Handlungen aus internen Beobachtungen und Reflexionen abzuleiten und diese auch umzusetzen. Dabei liegt ein Fokus auf dem Ausgleich von Stabilität und Flexibilität, insbesondere vor dem Hintergrund von kontinuierlichen Veränderungsprozessen. Dadurch kann der Stress bei Mitarbeitenden auf ein erträgliches Maß reduziert werden und Möglichkeiten zur Regeneration geschaffen werden.

Ganz nebenbei erhöht dies noch die Entwicklungsfähigkeit von Unternehmen in dynamischen und unsicheren Umwelten.

Thomas Bormuth

Stärkung individueller Stresskompetenz trotzdem nicht vernachlässigen

Mir ist aber auch wichtig, dass die Förderung der individuellen Stresskompetenz ebenfalls weiter fortgeführt wird. Die „Organisationale Achtsamkeit“ ist nämlich sowohl auf Achtsamkeit auf der Individualebene als auch auf die Ebene der Organisation angewiesen.

Achtsame Organisationen, kein Hippitrip

In der letzten Ausgabe (02_2019) der Zeitschrift moment by moment erläutert Erick Rinner im Interview mit Norbert Claasen, was seiner Meinung nach die wichtigste menschliche Ressource ist, die in den meisten Unternehmen ungenutzt bliebe und welche Verbesserungen auf persönlicher und auf Firmenebene durch das Erlernen von Achtsamkeit möglich seien.

Erick Rinner

Erick, ein Luxemburger der in Lausanne lebt, verfügt über 29 Jahre Erfahrung in den Bereichen Private Equity und Corporate Governance. Er ist geschäftsführender Gesellschafter seiner eigenen Investmentfirma Milestone Investisseurs und Vorstandsmitglied sowie Senior Trainer bei Potential Project, einem globalen Trainingsunternehmen für unternehmensbasierte Achtsamkeitsprogramme. Zu den Kernkompetenzen von Erick gehören die Initiierung von Veränderungen auf Vorstandsebene, Verhandlungen und die Beratung von Managementteams in Bezug auf Wertschöpfung und Führung. Er ist Vorstandsmitglied von Privatunternehmen und Trusts in Luxemburg, London, Dänemark und der Schweiz. Außerdem sitzt er im Vorstand von Mind & Life Europe, in der vom Dalai Lama gegründeten Organisation zur Förderung des Dialogs zwischen Wissenschaft und Buddhismus.

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Aufmerksamkeit von Mitarbeiter bleibt ungenutzt

Ericks Meinung nach geht den Unternehmen die Aufmerksamkeit ihrer Mitarbeiter, eine gesteigerte Form der Bewusstheit, verloren. Verschiedene Forschungen würden zeigen, dass Menschen 47 Prozent ihrer Zeit nicht bei der Sache sind. Während wir zum Beispiel diesen Blog-Beitrag lesen wird der Geist vermutlich immer wieder von anderen Gedanken, die durch den Inhalt oder einzelne Worte getriggert werden, abgelenkt. Wir glauben zwar, dass wir die ganze Zeit präsent wären, aber das seien wir nicht oder nur selten. Tatsächlich würde eine Menge unserer Zeit nicht aufmerksam und achtsam für unsere Aufgaben genutzt.

Erick hat die Erfahrung gemacht, dass in Firmen in denen er beratend tätig ist, ein niedriger Aufmerksamkeitsgrad herrsche und dieser würde zu mangelnder Leistung, zu Stress, zu Furcht und zu geringer Resilienz führen. Und die Ursache dafür wäre darin begründet, weil die Leute nicht im Augenblick bleiben könnten. Die Fähigkeit jeden Moment im Hier und Jetzt sein zu können, wäre eine Schlüssel-Fähigkeit zum Erfolg und müsse daher von Führungskräften trainiert werden. Er habe die Erfahrung gemacht, dass es bei täglichem Üben auch funktioniert, der Grund liege in der Anpassungsfähigkeit unseres Gehirns.

Nutzen von Achtsamkeit in Organisationen

Auf die Frage nach den konkreten Veränderungen durch eine tägliche Achtsamkeits-Praxis, erläutert Erick, dass es seiner Erfahrung nach vielerlei Verbesserungen sowohl auf individueller als auch auf organisatorischen Ebene gäbe. Im persönlichen Bereich entwickelten die Leute, ganz gleich auf welcher Ebene sie tätig wären, die Fähigkeit aufmerksamer zu sein und ihre Umgebung mit etwas mehr Abstand zu sehen. Er vergleicht es mit dem anfänglichen Autofahren mit der Nase an der Windschutzscheibe und dem späteren entspannten Sitzen und Zurücklehnen beim Fahren. So würden die Mitarbeiter auch ruhiger, wären mehr bei der Sache und würden eine neue Selbstsicherheit für die Dinge entwickeln. Gerade die Fähigkeit von Führungskräften im Moment zu sein, wirke sich auf das ganze Team aus, weil sie mit größerer Bewusstheit wahrnehmen können was im Team geschieht und welche Bedürfnisse einzelne Teammitglieder haben. Die Teamarbeit insgesamt würde verbessert, weil sich alle Mitglieder ihrer Bedürfnisse bewusster wären. Die Leute wären dadurch motivierter, würden seltener fehlen und hätten bessere Laune. Dadurch wäre die Firmenatmosphäre auch besser und könnte sogar von außen von möglichen neuen Talenten wahrgenommen werden, so, dass auch hier ein Vorteil für das Unternehmen am Arbeitsmarkt entstünde.

Weg zur Achtsamkeit

Der Weg dahin ist nach Ericks Meinung allen Mitarbeitern Achtsamkeitstrainings als ein offenes Angebot zu unterbreiten. Er würde mit einer 90-minütigen Einführung starten, in der er den neurowissenschaftlichen Hintergrund erläutert und klar macht, dass es sich nicht um einen Hippitrip handele. Vielmehr sei es eine solide Sache, deren positive Wirkung anhand verschiedenster Untersuchungen bewiesen sei. Im nächsten Schritt ginge es darum die Mitarbeiter in die Praxis einzuführen und ihnen Lust auf mehr zu machen. Dies geschehe meist automatisch, weil sie sich entspannter fühlen würden. Es ginge also darum, Achtsamkeit zu einem ganz normalen Teil ihres Arbeitsalltags zu machen, ganz ohne Druck auf freiwilliger Ebene.

Auch wir vom Zentrum für Achtsamkeit und Mitgefühl in Heppenheim haben ähnliche Erfahrungen gemacht und gehen ähnlich bei der Einführung von Achtsamkeit in Organisationen vor. Implementierungsbeispiele können hier zur Anregung heruntergeladen werden.

DAK Gesundheitsreport 2019 und die organisationale Achtsamkeit

Der DAK Gesundheitsreport 2019 wurde vor kurzem veröffentlicht und laut dem Report ist der Krankenstand nach einem Anstieg im Vorjahr abermals um 0,1 Prozentpunkte gestiegen. Der Krankenstand im Jahr 2018 lag bei 4,2 Prozent (2017: 4,1 Prozent). Da Sucht und Abhängigkeit für den Bereich der Arbeit immer bedeutsamer für die Arbeitswelt werden, sind sie erstmals Schwerpunktthema des DAK-Gesundheitsreports. Die DAK sieht gravierende Folgen da Millionen Erwerbstätige Probleme durch Alkohol und Computerspiele haben.

Psychische Erkrankungen insgesamt lagen mit einem Anteil von rund 15,2 Prozent an dritter Stelle hinter Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und des Atmungssystems. Erstmals seit 2006 ist die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen zwar zurückgegangen, allerdings blieb die Zahl der Krankschreibungsfälle konstant bei 7,0 Fällen je 100 Versichertenjahre. Daher sollten laut DAK Einschätzung, Maßnahmen der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung weiter den Fokus u. a. auf den Abbau von psychosozialen Belastungen wie chronischem Zeitdruck, Arbeitsunterbrechungen, Überforderung etc. legen. Als ein betrieblicher Einflussfaktor dafür könnte die Vermeidung von Arbeitsverdichtung und die damit sinkende Stressbelastung angesehen werden.

Auch wenn „Organisationale Achtsamkeit“ nicht explizit im Report genannt wird, könnte ihre Etablierung unterstützend für die Erhaltung von Gesundheit am Arbeitsplatz wirken. Was aber ist „Organisationale Achtsamkeit“?

Achtsamkeitspraxis wirkt nicht nur auf der individuellen Ebene (Personalentwicklung), sondern auch auf der Ebene der Organisationsentwicklung. Dies wurde hier schon zum Thema Projektmanagement des Öfteren beschrieben. Zur Erläuterung des Begriffs wird die Definition von Claudia Härtl-Kasulke verwendet. Sie kombiniert systemische Aspekte und Begrifflichkeiten aus der Achtsamkeitsforschung.

Achtsame Organisation: Die Organisation, begreift und erfährt sich als lebendiger Organismus. Sie bringt den Willen und die Fähigkeit hervor, sich dem Erleben der inneren und äußeren Umstände zuzuwenden. Dieses Zuwenden in einer Haltung des Wohlwollens, der Neugierde und des Unterscheidungsvermögens entsteht durch die präzise Wahrnehmung auf der geistigen, emotionalen und physischen Ebene.

„Mit Wertschätzung Wert schöpfen“, Härtl-Kasulke, Belz Verlag 2017

Organisationale Achtsamkeit: Diese Grundhaltung setzt sich als Ziel, das Wohlergehen von Individuen und Kollektiven zu nähren. Dies wird bei Entscheidungen berücksichtigt. Das mündet in Handlungen, die als Zusammenspiel in und mit der Organisation und Welt beschrieben werden können.

„Mit Wertschätzung Wert schöpfen“, Härtl-Kasulke, Belz Verlag 2017

Auch wenn organisationale Achtsamkeit nicht primär Gesundheitsfragen in Unternehmen adressiert, so kann ihre Implementierung in Unternehmen zur Reduzierung der Krankheittagen beitragen. Eine Übersichtspräsentation zu dem Thema kann hier heruntergeladen werden. Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.